Zum Schluss nochmal Ostsee ...

Zum Schluss nochmal Ostsee ...


Von Sören Braun - 23.11.2013

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Oktober, die Segelsaison neigt sich dem Ende entgegen. Am 19. kommen die Jollen Raus, eine Woche später die größeren Boote. Dann bricht der seglerische Winterschlaf an. Das schöne daran ist: das gleiche gilt auch für die Charterbasen. Auch die müssen Ihre Boote aus dem Wasser bekommen – und vom Stützpunkt zum Winterlager. Oder anders gesagt, irgendjemand muss die Boote ins Winterlager überführen. Damit bietet sich die Möglichkeit, für einen nicht allzu hohen Charterbeitrag ein Boot fahren zu können. Das Wetter im Oktober ist zugegebener Maßen etwas kälter als im Sommer, und die Folge, in der die Tiefdruckgebiete vom Atlantik gen Osten ziehen auch deutlich schneller. Um Erfahrung mit größeren Booten zu sammeln ist diese Konstellation also nahezu ideal.

Zum Schluss nochmal Ostsee ...

Dieses Jahr ist es eine Hanse 375, die ich überführen darf / muss. Denn wie bei jeder anderen Charter auch, muss natürlich das Boot zum vereinbarten Zeitpunkt am Vereinbarten Ort sein. In diesem Falle also in 6 Tagen in Breege/Rügen. Meine Crew ist überschaubar: mein Kumpel Jochen fährt mit, muss aber vorzeitig in Warnemünde von Bord gehen, mein Vater ist mit von der Partie, und eigentlich auch Mirko, aber den hat es schon vor der Anreise gesundheitlich dahingerafft. Vorteil: viel Platz an Bord. Nachteil, mehr Aufgaben für jeden. Dass mein Vater nachts kaum etwas sieht ist nicht so tragisch, da wir eh nur tagsüber segeln wollen. Alle an Bord haben genügend Erfahrung in der Seefahrt und mindestens einen Sportbootführerschein See. Nur gesegelt sind meine Mitstreiter noch nicht, aber dafür sind wir ja unterwegs. Die Anreise zum Übernahmestützpunkt in Flensburg erfolgt Samstag mit der Bahn, dann das Boot übernehmen und einkaufen. Da wir erst um 15:00 in der Marina sind ist außer einer Einweisung nicht viel geplant. Bei einer schlanken 6 vielleicht auch gar nicht so schlecht.

Zum Schluss nochmal Ostsee ...

Am nächsten Morgen sieht die Welt ganz anders aus, der Wind ist deutlich abgeflaut, 2-3 sind übrig geblieben, und nach einem ersten Frühstück an Bord geht heißt es dann Leinen los. Segel setzen wird kurz nach dem Ablegen durchgeführt, dann geht es an der „Burg“, der Marineschule Mürwick vorbei die Flensburger Förde hinaus Richtung Ostsee. Der recht schwache Wind bedeutet aber auch, dass die eigentlich gedachten 5 bis 6 Knoten Fahrt nicht annähernd erreicht werden. Gegen 15:00 haben wir uns von dem ursprünglichen Plan abends in Laboe zu liegen endgültig verabschiedet. Es werden kurz die Optionen geprüft: Gelting habe ich letztes Jahr einen Tag wegen Starkwind festgesessen, eine Erkältung vom feinsten eingefangen und eigentlich alles gesehen – nicht mit mir. Maasholm, Sonderburg, Schleimünde: geht. Aber wir müssen Freitag um 11:00 das Boot in Breege haben. Also fällt nach kurzer Diskussion die Entscheidung: wir fahren die Nacht durch und gehen am nächsten Morgen nach Heiligenhafen rein.

Zum Schluss nochmal Ostsee ... Zum Schluss nochmal Ostsee ...

Damit wird das Thema Nachtblind doch aktuell, aber Jochen und ich vereinbaren, uns die Nacht zu teilen. 4-Stunden Wachsystem, Jochen macht die erste Wache, ich gehe in die Koje, sobald wir den Leuchtturm Kalkgrund hinter uns haben. Das ist so gegen 18:30 der Fall. Gerade als ich unter Deck will, hören wir ein merkwürdiges Geräusch. Es dauert einige Zeit bis wir realisieren was das war. Beim dritten oder vierten Mal sehen wir den Schweinswal, keine 10 Meter vom Boot weg. Er schwimmt ein Stück mit uns, dann entfernt er sich wieder – und ich gehe in die Falle. Die Nacht verläuft unspektakulär, gegen morgen schmeißt Jochen den Motor an weil der Wind fast komplett eingeschlafen ist und gegen 06:30 sind alle wieder an Deck. Genau richtig, um die Sonne hinter der Fehmarnsund-Brücke aufgehen zu sehen. Wir entscheiden uns noch, statt Heiligenhafen Burg anzulaufen, dann haben wir den Sund auch schon hinter uns. Hinter dem Fehmarnsund steht zwar recht ordentlich Welle, aber die Einfahrt nach Burgtiefe geht wirklich gut, der Hafen ist Groß und übersichtlich. Nach dem Anlegen dann Duschen, dann geht es nach Burg und Abends zeitig schlafen, die letzte Nacht war doch eher kurz.

Am nächsten morgen geht es ohne Eile los, das Tagesziel Warnemünde ist etwa 40 Meilen entfernt, der Wind mit 3-4 aus Süd bis Südwest passt auch. Als der zwischenzeitlich einschläft machen wir doch den Motor an, wir wollen versuchen nicht zu spät in Hohe Düne festzumachen, dann kann man abends noch in den Ort. Dieser Plan kommt eine ¾ Stunde später zu einem jähen Ende als der Motor ausgeht und nicht wieder anspringen mag. Nach erster Ratlosigkeit steht wenig später die Ursache fest: der Diesel ist alle – 140 Liter Tank, nach 10 Stunden Motoren bei moderater Geschwindigkeit, eigentlich nicht möglich.

Zum Schluss nochmal Ostsee ...

Das Tankanzeige alles Mögliche anzeigt, nur nicht den Tankstand an und der Tank schon bei der Übernahme weniger als halb voll gewesen ist merken wir erst jetzt. Die nächste Aktion ist klar: Segel setzen, die weitern nicht wirklich. Ich fange an, mich mit dem Thema anlegen unter Segeln zu beschäftigen. Mit meiner Lanaverre 510 kein Thema, aber bei einem 11,25 Meter langen und 8 Tonnen schweren Boot sieht das etwas anders aus. Jochen versucht mit dem Vercharterer Kontakt aufzunehmen, die haben einen Stützpunkt in Warnemünde, vielleicht können die uns ja vor dem Hafen einen Kanister mit Diesel übergeben, dann können wir doch unter Motor anlegen. Aber am Stützpunkt ist keiner, und auch der Hafenmeister kann uns hier nicht helfen, er verweist uns freundlich an den Rettungskreuzer, der ja im Alten Strom liegt. Aber ich befinde mich ja nicht in Seenot, und wie teuer eine solche Bergung / Schlepphilfe wird vermag ich auch nicht abzuschätzen. Also doch Anlegen unter Segeln.

Zum Schluss nochmal Ostsee ...

Der Wind hat auf West gedreht, damit kann ich definitiv nicht in die Einfahrt Hohe Düne rein – bleibt der alte Strom. Seglerisch machbar, aber die Einfahrt nach Warnemünde ist quasi eine Autobahn, diverse Fähren und Frachter gehen hier rein und raus. Gegen 17:30 sind wir vor der Mole. Damit wir beim Anlegen die Fahrt aus dem Boot bekommen, probiere ich neben dem Fahrwasser, wie das Boot nur mit Vorsegel fährt, das würde einiges leichter machen. Das Boot segelt nur unter Fock recht gutmütig, dann kann es losgehen, das Fahrwasser ist grade frei. Was ich nicht erwartet habe war, dass der Wind vor der Mole auf einmal deutlich auf Süd dreht, ich verliere Fahrt und kann den Kurs nicht halten – und die Fähre von hinten kommt sehr schnell sehr nahe.

Zum Schluss nochmal Ostsee ... Zum Schluss nochmal Ostsee ...

Ich entscheide mich, das Manöver abzubrechen, abfallen, raus aus dem Fahrwasser, die Fähre schaltet jetzt den Suchscheinwerfer an um zu sehen was hier vorgeht. Danach kommt ein Schiff nach dem nächsten, wir kommen erstmal nicht wieder auf die andere Seite des Fahrwassers. Kreuzen als östlich bis wir Platz finden. Den nächsten Versuch, durch die Mole zu kommen fahren wir mit vollen Segeln, wieder dreht der Wind, aber diesmal kommen wir rein, langsam, aber es klappt. Nur in den Alten Strom einzulaufen, das geht nicht. Zwei Versuche ohne Erfolg, dann gebe ich auf. Dann eben das Fahrgastschiff, das am Passagierkai zur Nacht festgemacht hat. Das klappt. Um 22:00 sind wir sicher an der Baltica fest. Mit dem Kapitän den wir geweckt haben gibt es ein paar Diskussionen, dann hilft er uns das Boot zu verholen vor seinem Schiff festzumachen. Der Spaziergang zur Tankstelle tut gut, Boot fest, keine Schäden – nochmal gutgegangen. Mit 10 Litern Diesel gehen wir dann in die Hohe Düne, um halb eins machen wir fest, danach gibt es das beste Anlegebier, das ich je hatte. Abendessen, schlafen!   Jochen geht am Morgen von Bord. Mein Vater und ich entscheiden uns den Nachmittag in Warnemünde zu verbringen und am Donnerstag gegen 03:00 nach Kloster auf Hiddensee aufzubrechen.

Zum Schluss nochmal Ostsee ...

Die Fahrt ist ohne Überraschungen, in Warnemünde haben wir wieder aufgetankt, der Wind ist perfekt, wir Laufen mit 6 bis 7 Knoten Richtung Hiddensee,das Fahrwasser nach Kloster ist eng aber gut zu Fahren. Das der Wind deutlich zugenommen hat stört uns hier nicht mehr. Und der Letzte Schlag nach Breege unter Motor ist Pflichtprogramm. Nicht interessant, aber ohne Zwischenfälle, ebenso wie die Rückgabe des Bootes.

Als Resümee bleibt für mich, dass ich wieder viel gelernt habe. Das nächste Mal, wenn ich ein Charterboot übernehme ist das erste Anlegen an der Tankstelle, denn auch wenn das Anlegen unter Segel geklappt hat, möchte ich es beim nächsten Mal höchstens machen, wenn der Motor im Leelauf nebenher läuft. Aber Überführen werde ich definitiv wieder. Nächstes Jahr, vorm Winterschlaf.

Tour-Beschreibung

InfoDaten
Zeitraum12.10.-18.10.2013
RevierWestliche Ostsee
Start-HafenFlensburg
RouteFlensburg – Burgtiefe – Warnemünde – Kloster – Breege
Ziel-HafenBreege (Rügen)
Strecke196 sm
Boot„Leopold“
BootstypHanse 375
Vercharterermola Yachting